Wir alle sind mit dem Begriff 'Trauma' vertraut: In den letzten Jahren ist er fast zum Modewort geworden. In der psychospirituellen und esoterischen Szene wird mit Kursen, Sessions und Aktivitäten geworben, die angeblich allesamt und noch dazu in kürzester Zeit Traumata heilen und wegzaubern.
Doch so einfach ist es leider nicht.
Wie in jedem Aspekt unseres Lebens ist auch hier Vorsicht geboten, um wirksame von gefährlichen Angeboten zu unterscheiden. Zum Glück gibt es wunderbare Techniken, mit denen wir langsam aber sicher das im Nervensystem sitzende Trauma lösen können.
Im vorherigen Artikel "Entspannung und Achtsamkeit beim Zeichnen | Wie Kunst bei Stress und Burnout unterstützt" haben wir erfahren, dass Kreativität eine wundersame heilsame Wirkung auf Körper, Emotionen und Gehirn hat... Könnten Malen und Zeichnen sogar bei Traumaheilung unterstützen?
Um diese spannende Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst mit anderen, grundlegenden Fragen beschäftigen:
Was ist überhaupt Kreativität?
Und was verstehen wir genau unter Trauma?
Kreativität ist die Fähigkeit, Neues zur Welt zu bringen. Etwas nie Dagewesenes entsteht. Etwas wird geboren und aus einer Fantasie, einer Idee Wirklichkeit gemacht. Und wenn man tiefer schaut, erkennt man, dass es um Selbstausdruck geht - Etwas Ungehörtem und Ungesehenen Ausdruck zu verleihen.
Im Schöpfungsprozess der Kunst – zum Beispiel beim Zeichnen - bewegt sich etwas von Innen nach Außen und wird gefühlt. Man ist präsent mit dem, was sich bewegt. Etwas, was bisher im Dunkeln und Unbewussten lag, wird ins Licht geholt. Und angeschaut. Oft entstehen spontan Freude, Leichtigkeit, neue Erkenntnisse, Flow und innere Ruhe.
"Ich krieg die Bilder nicht mehr los..." sagen viele Menschen nach Unfällen, nach Überfällen, nach Naturkatastrophen, nach Vertrauensbrüchen, nach schlimmen Nachrichten, nach Erfahrungen von Hunger, Gewalt jeglicher Art, Zwang und Missbrauch, Flucht, Verlust, Vernachlässigung…
Auch wenn wir Zeugin oder Zeuge geworden sind, können wir von diesen verstörenden Bildern verfolgt werden.
Manchmal sind es nicht die Bilder, die das Leben schwer machen, sondern Körpererinnerungen, Gerüche, Geräusche, Gefühle.
Trauma wird als eine besonders belastende und beängstigende Erfahrung definiert, die das körperliche, emotionale oder psychische Wohl einer Person beeinträchtigen kann. Eine seelische Verletzung passiert, die je nach Intensität, Persönlichkeit und Zeitpunkt in der psychischen Entwicklung unterschiedliche Auswirkungen haben kann. Im Extremfall hat Trauma schwere und nachhaltige psychische Krankheiten zur Folge - wie PTBS (Posttraumatisches Belastungsstörung) oder Persönlichkeitsstörungen. Aber auch in weniger extremen Fällen können Traumata das Leben langfristig negativ beeinflussen.
Schock- und Entwicklungstraumata, transgenerationale Traumata, frühkindliche Traumatisierungen… Laut der Psychologe Karl Hosang wird ein Trauma – neurobiologisch nachgewiesen – in unbewussten Regionen abgespeichert. Damit gehört er zum nichtdeklarativen, emotionalen Gedächtnis. Dort ist es verankert und wirksam, auch und gerade weil es sich der bewussten, rational-kognitiven Verbalisierung entzieht. Unser bewusstes Leben wird maßgeblich durch die Großhirnrinde und den präfrontalen Kortex bestimmt. Ein Trauma wird allerdings in tieferliegenden und evolutionär älteren Hirnregionen „abgespeichert“.
Daher ist der therapeutische Zugang zu einem Trauma nicht über ein rationales Gespräch zu erreichen, sondern die Großhirnrinde muss quasi „umgangen“ werden und das tieferliegende emotionale Gedächtnis direkt angesprochen werden. Dafür gibt es verschiedene Mittel und Wege: Psychoanalyse, Traumarbeit, EMDR, körperorientierte Therapieverfahren wie Somatic Experiencing oder Bioenergetik, Hypnotherapie und, natürlich, Kunsttherapie.
Denn Kunst ist in der Lage, unserem Unterbewusstsein eine eigene Stimme zu geben.
“Ich weiß, dass meine Bilder der offenste Ausdruck meiner Selbst sind.” - Frida Kahlo
Manchmal sind Worte einfach nicht genug, um die Gefühle auszudrücken. Hier eröffnet das Malen und Zeichnen einen neuen Weg der Kommunikation – Einen Weg, der keine gesprochene Sprache benötigt.
Ziel des therapeutischen Zeichnens ist es, Ruhe einkehren zu lassen und die Lebensqualität zu verbessern. Wenn du schonmal im Flow versunken bist, dann weißt du, wie heilsam es ist: Zeichnen öffnet die Tür zu Kreativität, Verspieltheit, Vorstellungsvermögen und authentischen Ausdruck. Emotionaler Stress wird abgebaut, Konflikte gelöst, Ängste, Depressionen reduziert und die Kommunikation verbessert. Neue Verhaltensweisen und Perspektiven werden entwickelt und das Selbstbewusstsein wird gestärkt.
Tatsächlich haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass durch Zeichnen und Malen eine merklich höhere Stressresistenz und ein niedrigeres Stresslevel erreicht werden kann!
Traumakunsttherapie ersetzt keine Traumatherapie und wird ergänzend als wertvoller Begleiter eingesetzt. Anders als für Menschen, die zwar gestresst, aber relativ stabil sind und die heilsame Kraft des Zeichnens auch gut alleine für sich nutzen können, ist es für Menschen mit Trauma wichtig, eine Begleitung zu haben, eine unterstützende Umgebung: Jemanden, der den Raum hält und gut ausgebildet ist. All das bietet die Kunsttherapie.
Wir malen, um zu fühlen!
In der Kunsttherapie wird das Unterdrückte sichtbar gemacht. Somit ist es leichter, darüber zu reden und in der Lage zu sein, durch den künstlerischen Schaffensprozess mitzuteilen, was passiert ist. Das alles stellt einen mächtigen ersten Schritt dar, um tiefere Bedürfnisse zu adressieren.
Langsam, Schritt für Schritt, kann das Zeichnen und Malen seine heilsame Wirkung entfalten: Das bildhafte Denken wird angesprochen, das positive Flow-Erlebnis beruhigt und reguliert das Nervensystem. Die leere Fläche, das leere Blatt gibt sicheren Freiraum. Auch die Selbstwirksamkeit wird gestärkt. Im besten Fall können durch das Zeichnen emotionale Spannungen freigesetzt und bewusst gemacht werden.
Die Kunsttherapie hat verschiedene Ansätze. Im LOM® Lösungsorientierten Malen (Dr. Bettina Egger und Jörg Merz) werden die traumatischen Bilder aus der Perspektive der betroffenen Person gemalt. Der Ablauf des Traumas wird über solche Bilder dem Bewusstsein wieder zur Verfügung gestellt und gleichzeitig entschärft.
Das letzte Bild - das Bild, dass aufzeigt, dass das Trauma beendet ist - ist dasjenige Bild welches das Gehirn im Zusammenhang mit den traumatischen Geschehnissen erinnern wird. Erinnerte Bilder, körperliche Reaktionen und heftige Gefühle lösen sich auf und das Trauma hat keine Wirkung mehr.
Laut Egger und Merz ist Malen und Zeichnen geeignet, alle Erlebnisse und Erinnerungen zur Ruhe zu bringen. Wie soll das möglich sein? Und was hat das Gehirn mit der Malweise zu tun?
Es gibt vier wesentliche Faktoren, die die heilende Wirkung von Malen und Zeichnen auf unserem Gehirn erklären können:
All diese Aspekte nutzt die LOM® Technik, um gezielt Veränderungsprozesse einleiten und begleiten. Es geht darum, einen neuen, neutralen Eindruck zu bewerkstelligen. Metaphern und gehirngerechte Bilder erlauben neue, passendere oder hilfreichere innere Bilder, die Gefühle und Handlungen so steuern, dass neue Möglichkeiten im Leben entstehen können.
Wer gestresst und überwältigt ist, sollte sich einfach mal zwischendurch 15, 30, 60 Minuten nehmen und ohne Agenda zeichnen - Das innere Kind einladen, sich mit Farben wild und frei auszutoben oder an meditativen Zeichenworkshops teilnehmen. Wer Traumata mit sich trägt, kann als eine ergänzende Hilfe nach kunsttherapeutischen Angeboten in seiner Umgebung schauen und die heilsame Kraft der Kreativität in sein Leben einladen.
„Kunst hinterlässt Spuren der Freude und Heilung. Wenn wir uns darauf einlassen.“ - Theresa M. Douret
Tipp: LIVARTO, die Nr. 1 Online-Zeichenakademie in Deutschland, bietet wöchentliche Live-Sessions zum heilenden intuitiven Zeichnen mit unserer erfahrenen Kunsttherapeutin an. Entdecke unsere Angebote und nimm an einem kostenlosen Zeichenworkshop teil: Unter diesem Link findest du alle Infos, die du brauchst!