Das Zeichenlernen ist eine facettenreiche Angelegenheit. Viele von uns streben stets nach einer Balance zwischen Lernen und Kreativität, zwischen Übungen und intuitiven Zeichnungen. Denn diese Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig: Das Lernen und die Übungen ermöglichen es uns, die Bilder aus unserer Vorstellungskraft genauer darzustellen, während die Kreativität und das freie, intuitive Zeichnen die einzigartige, spielerische Dimension des Zeichnens zum Ausdruck bringen und uns immer wieder daran erinnern, warum wir es lieben.
Auf unserer Zeichenreise und in der harmonischen Interaktion von Lernen und Spiel, können wir oft beobachten, wie etwas Besonderes entsteht, etwas so Einzigartiges, dass es keine Vergleiche auf der Welt hat: unser eigener Zeichenstil.
Und hier könnte der Blogartikel eigentlich schon enden! Denn der Prozess, um einen Zeichenstil zu finden, wurde bereits beschrieben: Auf der einen Seite lernt man mit Referenzen (zum Beispiel beim Kopieren von Vorlagen oder beim Aktzeichnen), auf der anderen Seite experimentiert man mit 'freien' Zeichnungen, und langsam entwickelt sich der Stil von selbst. Es handelt sich also quasi um einen natürlichen Prozess, der von jeder unserer Entscheidungen beim Zeichnen vorangetrieben wird.
Wie immer in der Kunst, kann man sich im besten Fall Zeit lassen und durch das Experimentieren lernen. Für diejenigen jedoch, die sich besonders für dieses Thema interessieren und gezielt ihre eigene, unverwechselbare Stimme finden möchten, gibt es einige Aspekte, die in den Fokus gerückt werden können. In diesem Artikel werden wir, zusammen mit alten und neuen Meistern, über die Bedeutung des Stils und deren Suche reflektieren und uns einige Vorschläge anschauen, um bewusst unseren eigenen künstlerischen Weg zu gehen.
In der Kunst gilt immer: Sei neugierig! Die künstlerische Tätigkeit ist nicht nur introspektiv und intellektuell, sondern auch ein Handwerk. Und wie in jedem Handwerk sind sowohl die Möglichkeiten als auch die Ergebnisse stark von den materiellen Bedingungen bestimmt.
Wenn du mit Techniken und Materialien experimentierst, eröffnest du dir die Möglichkeit, neue Workflows zu entdecken oder durch Bob Ross' wohlbekannte "happy little accidents" unbeabsichtigte Effekte zu erzielen, die dann Teil deiner künstlerischen Sprache werden können.
"Für uns gibt es keine Fehler, sondern nur glückliche Zufälle", sagte Bob Ross, dessen Philosophie Generationen von jungen Künstler*innen inspiriert hat - Nicht nur im Zeichnen, sondern auch im Leben.
Reserviere also immer etwas Zeit für fließendes, intuitives Zeichnen und Experimentieren, um auf großartige neue Ideen zu stoßen.
Auch ganz am Anfang unserer Zeichenreise zeichnen wir alle sehr unterschiedlich. In unserer Online-Zeichenschule LIVARTO ist es besonders auffällig, denn als erste Übung bekommt man die Aufgabe, ohne Vorkenntnisse die eigene Hand zu zeichnen – Ein sehr schwieriges Motiv, das jeder und jede auf eigene Weise meistert.
Das erkennt man bereits, wenn man sich einige wunderbare Beispiele aus unserem Zeichencoaching ansieht:
Also: Das Motiv ist immer das gleiche, die Ergebnisse aber so mannigfaltig wie möglich - und dafür umso schöner! Bei einigen triumphieren die Linien, bei anderen die Schattierung; Einige Zeichnungen wirken sehr 3D, und andere überzeugen mit ihrem illustrativen Stil.
Das liegt unter anderem daran, dass jede*r von uns von einer Menge Einflüssen geprägt ist. Und das ist gut so, denn genau das formt unseren werdenden Stil: Eine persönliche, noch nie zuvor gesehene Mischung aus unseren Erlebnissen und den Bildern in unserer 'visuellen Bibliothek'.
In ihrem Artbook Wayfinder. The Art of Gretel Lusky (S. 54) redet die Illustratorin und Comic-Artist Gret Lusky genau über diesen Entwicklungsprozess: „Einen Kunststil zu entwickeln ist eine äußerst persönliche Reise. Dieser Stil ist eine Mischung aus den Dingen, die wir lieben, aus unserer Identität, und aus unserer Wahrnehmung der Welt um uns herum. Er ist auch die externen Einflüsse, die wir über einen langen Zeitraum in unsere Werke integrieren. Um einen Schritt in die richtige Richtung zu machen, ist es sehr hilfreich, zu verstehen, welche Art von Kunst wir kreieren möchten, und uns auf unsere Interessen zu fokussieren.“
Vielleicht bist du mit Disney-Filmen aufgewachsen, oder mit Anime und Manga; vielleicht begeistert dich Alfons Mucha mit seiner flüssigen Linienarbeit, oder du verlierst dich in den bunten Atmosphären eines Films von Wes Anderson. Beobachte die Werke deiner Lieblingskünstler*innen und frage dich: Warum mag ich dieses Werk? Was gefällt mir am liebsten daran? Versuche dann, diese Elemente auf kreative Weise in deine Bilder zu integrieren, spiele mit ihnen, bis du sie in deine eigene Sprache übersetzt hast und deinen eigenen Weg gefunden hast.
Sei immer ehrlich mit deiner Kunst: Zeichne das, was du liebst, und nicht das, was andere lieben. Deine Lieblingsbilder leben in dir und drücken sich erneut aus, wenn du etwas Neues kreierst. Diese einzigartige Mischung aus Einflüssen, Wahrnehmungen und Leidenschaften gehört dir - und nur dir.
Nach dem Besuch einer Ausstellung von Kinderzeichnungen sagte Picasso (mit der Bescheidenheit, die ihn auszeichnete): „Als ich so alt war, konnte ich malen wie Raphael. Aber ich brauchte ein Leben lang, um so zu malen wie die Kinder."
Was meinte er damit? Picasso, der namhafteste Vertreter der Kubisten, war ein König der Stilisierung - also des Abstrahierens vom Erscheinungsbild, wie es in der Wirklichkeit vorkommt, um das Objekt nur in seinen wesentlichen Grundstrukturen darzustellen. Im Grunde genommen ging es um die Darstellung der realen Welt auf symbolische Weise. Und was ist Kinderkunst, wenn nicht eine symbolische Darstellung der Welt, die das Kind sieht?
Kinder verwenden Symbole unter anderem, weil es ihnen an der Fähigkeit fehlt, realistisch zu zeichnen. Picasso, Disney und Kim Jung-gi verwenden ihre sehr unterschiedlichen Symbole, um eine andere, persönliche Welt sichtbar zu machen.
Für den Künstler Brookes Eggleston bedeutet Stilisierung, etwas absichtlich auf die falsche Art zu zeichnen. Ein Beispiel: Ein Anime-Auge sieht überhaupt nicht wie ein wahres Auge aus, aber es ist sofort sowohl als Auge als auch als Anime zu erkennen. Also, es "funktioniert", und es hat zugleich auch einen sehr markanten Stil.
Überlege dir beim Zeichnen, auf welche Eigenschaften deines Modells du den Akzent legen möchtest und wie. Zeichne "falsch" und entdecke deine eigene Stimme!
In einem tollen Stream zum Thema Stilisierung teilt die Illustratorin Loish eine fantastische Übung mit ihren Fans, um gezielt den eigenen Stil zu entwickeln. Lass uns diese Übung zusammen anschauen.
Schritt 1: Wähle dein Motiv aus und lerne es kennen. Wenn du zum Beispiel ein Pferd zeichnen möchtest, solltest du dir in dieser Phase mehrere Fotos von Pferden in unterschiedlichen Positionen anschauen und sie nachzeichnen. Versuche dabei, das Tier zu verstehen, seine Bewegungen, die Gestalt seiner Schnauze und seines Körpers zu identifizieren, und präge dir einige wichtige Details ein.
Schritt 2: In dieser zweiten Phase arbeitest du ohne Vorlagen. Versuche direkt im Anschluss an Schritt 1, das Tier aus dem Gedächtnis zu zeichnen. Dabei kommen deine Impressionen zum Ausdruck, deine eigenen Entscheidungen: Hatte das Tier eine besonders lange Nase, wie groß waren die Augen, wie bewegte es sich? Welche Aspekte möchtest du hervorheben, welche möchtest du simplifizieren?
Jede Entscheidung, die du in dieser Phase triffst, ist ein Einblick in deinen sich immer entwickelnden Stil.
Diese Übung ist eine großartige Möglichkeit, deine eigenen künstlerischen Entscheidungen zu erkunden und deinen individuellen Stil weiterzuentwickeln.
Hoffentlich hat dir diese kleine Reise in die Welt des Zeichenstils einige Ideen oder Impulse zum Nachdenken gegeben. Wenn es um dieses Thema geht, gibt es zahlreiche Fragen und teilweise sehr unterschiedliche Meinungen. Zum Beispiel: Was ist Stil? Muss ich meinen Stil suchen oder einfach lassen, dass er sich natürlich entwickelt? Brauche ich überhaupt einen solchen "Stil"?
Solche Fragen können und sollen diskutiert werden. Aber eines bleibt fest: Wenn du in der Lage sein möchtest, deine Ideen in deinem ganz persönlichen Stil zu zeichnen, dann brauchst du solide Grundlagen. Und bei LIVARTO, der größten Online-Kunstakademie Deutschlands, bist du in guten Händen ;)
Besuche unsere vorteilhaften Zeichen-Workshops und schau dir unsere Zeichencoachings an, wenn du das wahrhaftige Zeichnen erlernen möchtest!